Nachhaltigkeit ist fester Bestandteil der Unternehmensstrategie der Wilo Gruppe, einem der weltweit führenden Premiumanbieter von Pumpen und Pumpsystemen für die Gebäudetechnik, Wasserwirtschaft und Industrie. Die Produkte, Systeme und Lösungen des Technologie-Spezialisten aus Dortmund tragen dazu bei, Menschen auf intelligente, effiziente und klimafreundliche Weise mit Wasser zu versorgen. Sven Grave, Head of Innovation bei Wilo, erzählt uns im Interview mehr über aktuelle und künftige Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit.

Wilo Strategy

Herr Grave, könnten Sie uns zu Beginn das Engagement von Wilo für Nachhaltigkeit erläutern?

„Wilo hat auf der Basis seiner Unternehmensstrategie eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Im Kern fokussieren wir uns dabei auf vier Handlungsfelder – Wasser, Energie & Emissionen, Material & Abfall, Mitarbeiter & Gesellschaft – und haben dafür 18 Ziele formuliert, die in der gesamten Wilo-Welt umgesetzt werden. Zum Beispiel wollen wir bis 2025 100 Millionen Menschen einen besseren Zugang zu sauberem Wasser ermöglichen. Ein weiteres Ziel ist es, 50 Millionen Tonnen CO2 zur Emissionsreduzierung einzusparen.“

2021 haben Sie die Wilo Sustainability Challenge gestartet, eine unternehmensweite Kampagne zum Thema Nachhaltigkeit. Wie kam es dazu?

„Wir haben 2021 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen in der Kategorie ‘Klima‘. Das war für uns natürlich eine große Ehre. Uns war klar, wir müssen dieses Momentum nutzen. Zudem erwächst aus so einem renommierten Preis auch eine Verantwortung, der wir als Klimaschutzpionier nachkommen wollten. Wir haben das als Auftrag gesehen, unsere Ambitionen im Nachhaltigkeitsbereich noch weiter zu verstärken – und zwar intern. Wir haben uns gefragt, wie können wir das Thema im Unternehmen noch weiter ausrollen und dafür sorgen, dass unsere Mitarbeiter:innen weltweit die Bedeutung des Themas noch weiter verinnerlichen – so, dass jede:r im Unternehmen von sich aus sagt, ich möchte nachhaltig handeln.“

Es ging also primär darum, das Mindset der Mitarbeiter:innen zu ändern?

Ganz genau, es ging um den Cultural Change – darum, die Organisation auf das nächste Level zu heben von einer direktiven hin zu einer gelebten Kultur der Nachhaltigkeit. Mitarbeiter:innen nicht einfach nur Nachhaltigkeit zu erklären, sondern sie daran teilhaben lassen, mit ihren eigenen Ideen! Schnell war klar, wir machen eine Kampagne – und zwar groß, so richtig groß! Wir bieten jeden Tag von 9 bis 10 Uhr eine Session an zum Thema Nachhaltigkeit. Jede:r der 8.000 Wilo-Mitarbeiter:innen weltweit ist dazu eingeladen und kann eigene Ideen einbringen.“

Wie ging es weiter? Wie kamen Sie an die hochkarätigen Speaker, das war sicher nicht leicht, oder?

„Nein, bis zur Kampagne hatte ich keinerlei Kontakt zu Speakern aus dem Nachhaltigkeitsbereich. Zum Glück kenne ich Leute, die Leute kennen! Sandra Fernholz von HYPE und unsere Nachhaltigkeitsprofis haben mir fantastische Speaker:innen empfohlen. Wir konnten z.B. Dr. Raghunath Anant Mashelkar gewinnen, einen international renommierten Experten aus Indien, oder auch Dr. Dorothea Ernst, die in Deutschland als Institution gilt für das Thema Nachhaltigkeit. So entstand ein hochkarätiges Line-up mit Speakern, die eine echte Botschaft haben. Das ging schnell im Unternehmen viral...“

Agenda

Abb. 2: Kampagne mit hochkarätigem Angebot für die Teilnehmer

War es denn auch so einfach, die Wilo-Mitarbeiter:innen für Ihre Kampagne zu begeistern? Wie sah das Programm aus, welche Themen haben Sie adressiert?

„Wenn man eine Kampagne startet, ganz egal wie klein oder groß, geht man immer ein Risiko ein. Die Kolleg:innen können das Thema annehmen und mitarbeiten – oder eben nicht. In diesem Fall waren wir uns aber sehr sicher, dass wir auf große Resonanz stoßen würden. Und ich glaube, das ist nichts Wilo-spezifisches. Das Thema Nachhaltigkeit ist den Menschen wichtig. Ich glaube, wenn man dieselbe Aktion in einem anderen Unternehmen durchführen würde, würden ähnliche Erfolge erzielt. Ein kleiner Vorteil war sicherlich, dass Innovationsevents und -kampagnen bei uns schon seit vielen Jahren etabliert sind. Die Leute wissen, worauf sie sich einlassen und dass die Qualität gut ist. Außerdem war klar: 1 Stunde pro Tag kann jede:r erübrigen, und das Thema bedeutete natürlich auch Abwechslung. Hinzu kam die pandemiebedingte Homeoffice-Situation – für uns war sie absolut förderlich. Aber nochmal: Das ist nur ein kleiner Teil. Viel wichtiger ist, dass das Thema relevant ist.“

Wie sah das Programm aus, welche Themen haben Sie adressiert?

„Die Kampagne lief vom 3. bis 28. Mai 2021 und basierte auf den vier Nachhaltigkeitssäulen von Wilo: Wasser, Energie & Emissionen, Material & Abfall, Mitarbeiter & Gesellschaft. Jede Woche wurde eine Säule thematisiert. Thema 1 drehte sich um die Wasserversorgung, z.B. für Menschen in Städten. Thema 2 war ‘Effizienz‘, also weniger Strom und CO2. Abfallvermeidung und Verpackung stand im Fokus von Thema 3. Und last, but not least haben wir auch die Säule ‘Menschen‘ beleuchtet, und zwar konkret das Thema ‘Women in Tech‘.”

Challenge

Abb. 3: Trend Talks, Keynotes, Innovation Cafés – drei starke Formate für Nachhaltigkeit

Gab es zu diesen Schwerpunktthemen dezidierte Angebote? Welche Aktionen gab es konkret?

„Ja, wir haben in den insgesamt 4 Wochen insgesamt 3 Formate angeboten: Trend Talks, Keynotes und Innovation Cafés. Bei den Trend Talks haben wir auf Basis der 4 Säulen unserer Nachhaltigkeitsstrategie einzelne Trends beleuchtet, die für Wilo relevant sind. Zum Beispiel wurden einzelne nachhaltige Produkte und Technologien vorgestellt – als Inspiration, aber auch, um die Kolleg:innen upzudaten und ihnen zu zeigen, das gibt es schon, das passiert gerade, das ist möglich. Unsere externen Expert:innen bzw. Speaker:innen haben die Kampagne durch thematisch passende Keynote-Präsentationen begleitet und aktuelle Herausforderungen im Bereich Nachhaltigkeit sowie Lösungen zur Umsetzung vorgestellt. In den Innovation Cafés konnten unsere Teilnehmer:innen dann Teams bilden und in kleinen Gruppen gemeinsam ihre Ideen entwickeln. Dazu haben wir auch Partner eingeladen, mit denen wir schon zusammenarbeiten, etwa Africa GreenTec oder Enapter. Das Spannende war, dass unsere deutschen Ingenieur:innen im Rahmen der internationalen Kampagne mit ihren Kolleg:innen in Äthiopien oder Indien ins Gespräch kamen – das war Teamwork in einer völlig neuen Dimension….“

Wie spannend! Welche Art von Ideen wollten Sie mit Hilfe der Kampagne generieren?

„Da muss ich etwas ausholen. Wer wie wir als Unternehmen auf nachhaltigkeitsorientierte Innovation setzt – ich greife hier auf ein Modell von Prof. Dr. John Bessant zurück – der agiert in der Regel auf der Basis von 3 Phasen: Operational Optimization, Organizational Transformation und Systems Building.

In Phase 1, Operational Optimization, bedeutet nachhaltig sein, die geltenden Normen und Regularien erfüllen oder kosteneffizient sein. In Phase 2, Organizational Transformation, wirkt Nachhaltigkeit als Business-Treiber für das Unternehmen, es sieht Chancen, dadurch neue Geschäftsfelder zu generieren. Phase 3, Systems Building, geht noch weiter und sagt: Wir bilden Netzwerke, etwa um das Thema Circular Economy – Kreislaufwirtschaft – voranzutreiben, und kooperieren mit entsprechend aufgestellten Partnern wie Abfallverwertern. Bei Wilo sah das zu Beginn ungefähr so aus: Auf Level 1 sind wir extrem gut, das ist unser Brot- und Butter-Geschäft, wir entwickeln Produkte zur Wasserversorgung etc. Phase 2, Organizational Transformation – und Phase 3, bei Nachhaltigkeitsnetzwerken sind wir noch nicht auf dem Niveau wie in Phase 1. Mein Pitch war: Wie schaffen wir es von Level 2 auf Level 3? Wie generieren wir wertvolle Ideen für diesen Bereich, das war die Mission!“

3 phasen

Abb. 4: Ideen bei Wilo auf Basis der 3 Phasen nachhaltigkeitsorientierter Innovation

Ok, klar, wie haben Sie die Ideen dann generell ausgewählt?

Wir haben alle Ideen evaluiert und eine TOP-10-Liste gebildet. Relevante Kriterien waren u.a. der Innovationsgrad sowie Impact einer Idee und wie sehr sie auf unsere Wilo-Nachhaltigkeitsziele einzahlt. 5 dieser 10 Ideen hat anschließend der Vorstand ausgewählt. Diese 5 spannenden Ideen wurden in einer Live-Show gepitcht: Jede:r Mitarbeitende bekam 3 Minuten, um seine bzw. ihre Idee vorzustellen. Die Gewinner:innen wurden live in der Show vom Publikum gewählt – also von den Zuschauer:innen bzw. Wilo-Mitarbeiter:innen.“

Dürfen Sie uns mehr verraten über die Gewinnerideen? Waren auch Ihre Favoriten dabei…?

„Meine favorisierten Ideen landeten auf den Plätzen 3 und 4, und aus Idee Nr. 4, so viel darf ich verraten, wird ein Technologieprojekt. Über die Gewinneridee und Topidee Nr. 2 – sie fallen beide in Phase 3, den Bereich Systems Building – darf ich leider nicht sprechen, denn da sind wir strategische Partnerschaften eingegangen mit ziemlich strikten Geheimhaltungsabkommen. Idee Nr. 3 ist wirklich spannend, sie kommt von einer Kollegin aus unserem Office in Äthiopien: Sie engagiert sich für das Thema Empowerment vor Ort – und versucht, Frauen in Afrika für technische Berufe zu begeistern. Hier geht es also rein um das Enablement der Menschen vor Ort, nicht um Business-Aspekte. Dieser Schritt ist trotzdem enorm wichtig, um den afrikanischen Markt überhaupt zu entwickeln.“

Da war der Vorstand sicher auch happy, wie alles gelaufen ist… hat er sich denn auch selbst eingebracht in die Kampagne?

„Ja, absolut, der Vorstand hat an den Sessions teilgenommen, sich aktiv in die Live-Streams eingeschaltet und auch Fragen gestellt – und zwar nicht als Auftrag, sondern aus echtem Interesse. Und ja, mit der Kampagne war er total happy, aus drei Gründen. Erstmal natürlich aufgrund der tollen Ideen, die man umsetzen und zeigen kann – also aus ganz praktischen Gründen. Und er war auch sehr begeistert vom Feedback der Mitarbeiter:innen, die gesagt und geschrieben haben: Ich bin froh, dass wir diese Kampagne machen. Oder: Ich bin stolz, für Wilo zu arbeiten… der Tenor war insgesamt enorm positiv. Daran hat er gesehen, dass der Cultural Change, den wir uns erhofft haben, wirklich erfolgt ist – wir konnten unsere Mitarbeiter:innen abholen und inspirieren zu eigenen Nachhaltigkeitsinitiativen.“

Wow, Ziel erreicht, oder? Die Kampagne hat ja offenbar eingeschlagen wie eine Bombe…

„Das kann man so sagen, ja. Sehr spannend waren und sind auch die Gespräche, die wir seitdem führen und die Initiativen, die sich aus der Kampagne ergeben haben. Tolles Beispiel: Unsere Kampagne lief ja von Mai bis Juni 2021 – im September rief mich ein Kollege aus Indien an und erzählte mir, dass er mit seinem Team vor Ort als Impuls aus der Kampagne einen Prozess komplett digitalisiert hat, der 22.000 Blatt Papier pro Jahr einspart! Die Leute haben einfach erkannt, das macht so keinen Sinn. Und es ist ja nicht nur eine Effizienzsteigerung, sondern vor allem auch eine Qualitätssteigerung – die Customer Service Quality wurde erhöht, denn es ist digital, also ad hoc, verfügbar.“

Das zeigt in der Tat den nachhaltigen Impact Ihrer Kampagne. Welche Ziele haben Sie für die Zukunft? Wilo hat für sein Engagement ja bereits diverse Preise für Nachhaltigkeit erhalten…

„Mit der Fragestellung sind wir in die Kampagne gestartet: Wir haben eigentlich alles erreicht – wie machen wir weiter? Unser nachhaltiges Engagement hat nichts mit Regularien zu tun, sondern mit dem, woran wir als Unternehmen glauben. Nehmen wir mal an, Nachhaltigkeit hätte in 10 Jahren keine öffentliche Priorität mehr – für uns als Wilo wird es trotzdem relevant bleiben. Es ist Teil unserer DNA. Dank der Kampagne konnten wir viele neue Potentiale aufzeigen, wie es weitergehen kann.““

Ja, Wilo liefert da ein eindrucksvolles Beispiel. Was sagen Sie zu dem oft geäußerten Argument, Nachhaltigkeit kostet nur Geld und bringt nichts ein?

„Wenn man Nachhaltigkeit rein unter dem Aspekt betrachtet bzw. betreibt – ich muss diese und jene Normen und Regularien erfüllen – dann kostet es nur Geld, ja. Wir verstehen das Thema aber völlig anders, Nachhaltigkeit hat enormes Geschäftspotenzial und ist wirtschaftlich eine Riesenchance!“

Was uns noch interessieren würde: Hat die Kampagne auch für Sie persönlich etwas verändert?

„Ja, ich war vorher nicht so mit dem Thema befasst, aber die Initiative hat in der Tat auch bei mir persönlich etwas bewegt. Seit der Challenge ist zum Beispiel bei uns zu Hause die Anzahl an vegetarischen Gerichten oder auch Mehrwegverpackungen deutlich gestiegen. Man sieht, welchen Einfluss man selbst hat und wie einfach man beitragen kann zu nachhaltigem Handeln!“

Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Grave, und weiterhin viel Erfolg!*

Sie haben noch Fragen zum Thema Nachhaltigkeit oder würden selbst gerne eine Kampagne starten wie Wilo? Sandra Fernholz, unser Head of Social Impact and Sustainability bei HYPE, steht Ihnen jederzeit gerne mit Rat und Tat zur Seite. Schreiben Sie ihr einfach unter Sandra.Fernholz@hypeinnovation.com. Weitere Informationen rund um Nachhaltigkeit finden Sie auf unserer HYPE-Website: Nachhaltigkeit 

*Dieses Interview entstand in Zusammenarbeit mit Sofie Scheidig.

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