Im ersten Teil unserer Blogserie über Innovation im Rechtsdienstleistungssektor haben wir untersucht, welche Formen von Innovation es dort gibt, wie sie sich von produktorientierter Innovation unterscheidet und warum Innovation in der Rechtspraxis essenziell sein sollte. Im zweiten Artikel unserer dreiteiligen Serie dreht sich alles um das "Wie": Wir untersuchen, wie Sie in Ihrer Anwaltskanzlei eine Struktur schaffen für kollaborative Innovation. Sie erfahren im Detail, wie Sie (1) in Ihrer Kanzlei eine Innovationsstruktur aufbauen, (2) Innovation in großem Stil managen und (3) den Erfolg Ihrer Aktivitäten messen.

Auf den ersten Blick scheint die Struktur einer multinationalen Kanzlei oder einer Kanzlei mit mehreren Standorten nicht gerade prädestiniert für internes Teamwork oder fachübergreifendes Engagement. Das gilt vor allem für globale Kanzleien, die durch Fusionen gewachsen sind. Traditionell werden dort einzelne Büros oder Regionen von Partnern vor Ort geführt, mit einer eigenen Kultur, bei der naturgemäß die Bedürfnisse lokaler Mandanten und Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen. Büroabläufe, Rechtsmaterialien, Kommunikation: All das ist meist speziell auf die jeweiligen juristischen Bedürfnisse zugeschnitten. Die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensstandorten lässt dagegen oft zu wünschen übrig, da jede Kanzlei über eigenes spezifisches Fachwissen besitzt. Das wiederum führt oft zu lokalen bzw. regionalen juristischen "Silos", die ihrerseits viele unterschiedliche (und potenziell inkonsistente) Managementziele und Betriebsmodi im globalen Unternehmen zur Folge haben kann.

Bild-1

Globale Faktoren treiben den Strukturwandel in der Rechtspraxis 

Für global agierende Anwaltskanzleien wird es  aber immer wichtiger, die Struktur ihrer Organisationen so umzugestalten, dass Integration, Wissenstransfer und Kollaboration zwischen allen regionalen, branchenspezifischen oder spezialisierten Kanzleien möglich sind – und nicht nur als Mittel dienen, die Kaufkraft zu steigern. Die folgenden Schlüsselfaktoren beschleunigen die Vernetzung unterschiedlicher Rechtsteams:

  1. Globale Services für Mandanten: Die Globalisierung führt in vielen Branchen dazu, dass Mandanten außerhalb ihres „Heimat“landes Rechtsdienstleistungen benötigen. Oft sind mehrere lokale Kanzleien beteiligt, wenn es um juristische Leistungen für einen globalen Mandanten geht. Konsolidiertes Mandantenmanagement und einheitliche Services, z. B. Standardformate für Mandantenschriftsätze oder eine gemeinsame Abrechnung, garantieren eine höhere Kundenzufriedenheit und Wettbewerbsvorteile gegenüber Kanzleien mit einem weniger integrierten Ansatz.
  2. Digitaler Arbeitsplatz und Remote-Office-Umgebungen: Die Transformation digitaler Arbeitsplätze und die schnelle Umstellung auf Remote-Arbeit(skräfte) aufgrund von Covid-19 haben überall zu mehr Engagement und Kollaboration geführt. Mitarbeiter aller Abteilungen werden immer versierter im Umgang mit neuen Kollaborationstools und -technologien (z. B. Microsoft Teams, Zoom, Slack etc). Auch Anwaltskanzleien erkennen die strategischen Vorteile einer intensiveren Zusammenarbeit; so können sie das Knowhow und die Intelligenz ihrer weltweiten Belegschaft nutzen. Ein natürlicher nächster Schritt ist die Einführung eines Modells zur Unterstützung und Strukturierung von Innovation.
  3. Veränderte Demografie und Verhaltensweisen der Belegschaft: Viele erfahrene Juristen haben im Lauf der Zeit so einige Initiativen zur Umstellung von manuellen Aufgaben auf automatisierte Arbeitsabläufe miterlebt – und dabei zum ersten Mal neue Technologien und Tools für den digitalen Arbeitsplatz kennengelernt. Heute sind Rechtsreferendare, Praktikanten, neue Mitarbeiter Digital Natives – sie erwarten an ihrem Arbeitsplatz neueste Tools und Technologien. Das bedeutet: Sowohl die Struktur als auch Prozesse und Kultur von Kanzleien müssen diesen veränderten Erwartungen Rechnung tragen.

3 Bausteine für kollaborative Innovation in Ihrer Kanzlei

Die gute Nachricht für Anwaltskanzleien: Die oben genannten globalen Faktoren, die eine praxisweite Zusammenarbeit und stärkeres Mitarbeiterengagement vorantreiben, haben auch den Weg geebnet für juristische Innovationsteams. Aber wie startet man, welche zentralen Bestandteile braucht es, um eine erfolgreiche Struktur zu schaffen für kollaborative Innovation im Rechtsdienstleistungssektor? Unsere Spezialisten bei HYPE kennen die Antwort – durch ihre Zusammenarbeit mit global tätigen Kanzleien konnten sie bei der Einführung und Skalierung von kollaborativer Innovation drei strukturelle „Bausteine“ identifizieren, die für ein erfolgreiches Innovationsprogramm entscheidend sind: erstens die Fähigkeit und der Wunsch, sich siloübergreifend zu engagieren, zweitens eine skalierbare Technologie, die den Input bzw. Output eines Innovationsprogramms managt – und drittens aussagekräftige, transparente Messgrößen (z. B. KPIs, Dashboards, Berichte).

Struktur: Die Struktur, die kollaborative Innovation fördern soll, muss sich an der Organisation globaler Anwaltskanzleien orientieren, die einerseits die Bedeutung und das Knowhow lokaler und spezialisierter Kanzleien im Verbund zu schätzen wissen, anderseits aber auch die Notwendigkeit zentraler Koordination und Unterstützung erkennen. Ein gutes Beispiel liefert Linklaters, eine weltweit tätige Anwaltskanzlei mit 31 Büros in 21 Ländern und Kunde von HYPE Innovation, die kollaborative Innovation bei ihren aktuell 5200 Mitarbeiter:innen erfolgreich unterstützt: Hier kommt ein gut eingespieltes Tandem zum Einsatz, das aus einem zentralen Innovations- und Effizienzteam (I&E) und lokalen oder regionalen Praxisinnovations- und Effizienzteams (PIE) besteht. Die PIE-Teams werden in der Regel von einem Sponsoring-Partner geleitet, der die Innovationsaktivitäten mit den Mitarbeitern vor Ort koordiniert. Obwohl die Zusammensetzung jedes PIE-Teams variiert, besteht es idealerweise aus mindestens einem Partner, Anwalt oder Managing Associate, einem Junior Associate, Trainee, einer Sekretärin und einem Business Manager – ein Mix, der viele verschiedene Fähigkeiten und jede Menge Knowhow in das Team bringt. Diese PIE-Teamstruktur ist die Speerspitze des Linklaters-Innovationsprogramms; sie macht sich lokale Praxiserfahrung und Mitarbeiter-Insights optimal zunutze. Das zentrale I&E-Team von Linklaters koordiniert v.a. Ressourcen, gibt Anleitung für Ideenkampagnen und leitet unternehmensweite Innovationsinitiativen.

Technologie: Dank skalierbarer Technologie sieht man immer mehr moderne digitale Arbeitsplätze. Innovatoren, die für die Moderation von Kollaborations- oder Problemlösungssessions, für Brainstormings oder den Start von Ideenkampagnen zuständig sind, wissen: Wer nicht alle Beteiligten in einem Raum zusammenbringen kann, braucht Hilfe in Form digitaler Tools. Linklaters zum Beispiel verwaltet seine kollaborative Innovation über die HYPE-gestützte Plattform Ideas Pathway – und ermöglicht so firmenübergreifendes Teamwork und Wissensaustausch. Ideas Pathway bietet Mitarbeitern eine skalierbare, nutzerfreundliche Innovationsplattform für die Ideenfindung und hilft zugleich dem I&E-Team, Ressourcen besser zu managen und die Effizienz des Programms insgesamt zu steigern. Ideas Pathway ist eine wichtige Komponente in der Innovationsstruktur des Unternehmens, ein intuitives Tool, das – unterstützt von den lokalen PIE-Teams und dem zentralen I&E-Team – die kollektive Intelligenz der Mitarbeiter im gesamten Unternehmen auf hocheffektive Weise nutzt.

Metriken: Aufbau, Auswertung und Management von Messgrößen sind bei jedem Innovationsprogramm von entscheidender Bedeutung. Metriken für serviceorientierte Innovation sind aber meist andere als für produktorientierte Innovation. Beispielsweise besteht der Wert von Innovation für Anwaltskanzleien wahrscheinlich eher in einer Business Modell- und Prozessinnovation als in einer Produktinnovation. Hier ist Vorstellungskraft gefragt, bestehende Angebote zu erweitern – und der Wunsch, kleinere Ideen mit großer Gestaltungskraft und Wirkung umzusetzen. Bei serviceorientierter Innovation liegt der Fokus auch eher auf Kollaboration und Wissensaustausch als auf Produkten. Eine erfolgreiche Kampagne von Linklaters konzentrierte sich zum Beispiel ausschließlich auf die Identifizierung von Best Practices, die erst von lokalen Büros genutzt wurden – und dann von der gesamten Kanzlei.

Bild-02Wer eine Innovationsstruktur etablieren will, sollte zielgerichtet starten. Idealer Ausgangspunkt ist der Reifegrad der jeweiligen Anwaltskanzlei im Modell der Innovationsreife: Das Modell beginnt am oberen Ende der Skala mit der Bewertung von Innovation als Teil einer unternehmerischen Kernstrategie und reicht bis zur Verpflichtung zur Einführung eines Innovationsprogramms (entweder am Anfang der Reise oder dazwischen). Weitere wichtige Faktoren für erfolgreiche Innovation: das Engagement der Führungskräfte, das Verständnis für die zentrale Bedeutung eines kulturellen Bewusstseins und Akzeptanz sowie effektive Kommunikation. Die drei oben erwähnten strukturellen "Bausteine" helfen juristischen Teams bei der Verankerung ihrer Innovationspraxis; sie schaffen eine solide Basis für weitreichende kollaborative Innovation im Unternehmen – unabhängig davon, wo sie stehen auf ihrer Innovationsreise.

Bild-3

Weitere Informationen über Linklaters und andere HYPE-Kunden, die kollektive Intelligenz eingesetzt und genutzt haben, finden Sie in unserem aktuellen Webinar How to Innovate at Scale (Bitte beachten Sie: aktuell nur auf Englisch verfügbar!).

Möchten Sie Ihre eigenen Erfahrungen aus einer Kanzlei mit Kollegen der Innovations-Community teilen? Oder wünschen Sie sich noch mehr Informationen zu Best Practices im Legal-Sektor? Rufen Sie uns an oder kontaktieren Sie uns hier.

 

Gehe zu Abschnitt