Am Kennzahlenvergleich Ideenmanagement 2020 haben sich 196 Unternehmen beteiligt“ – abgesehen von den geänderten Zahlen begann genau mit diesem Satz der Bericht zum Kennzahlenvergleich 2019. Doch keine Angst: Dieser Blogbeitrag geht anders weiter! Angesichts der Ausnahmesituation im Jahr 2020 ist es besonders aufschlussreich, eine solide Datenbasis für den Blick über den Tellerrand zu nutzen.

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Ideenmanagement im Corona-Jahr

Auf den sich abzeichnenden „Corona-Knick“ in den Vorschlagszahlen hatte ich im Blogbeitrag vom 28.09.2020 hingewiesen. Offenbar hatten die dort erwähnten „schlauen Menschen“ bereits eine Wende zum Besseren bewirken können, auch bevor sie die „böse Hexe Corona wieder vertrieben haben“. Das zeigt zumindest der weitere Verlauf der 2020-er Kurve im zweiten Halbjahr (siehe Abbildung 1).

Blog-36-1_Corona-Delle_2021-05-26Abbildung 1:„Corona-Delle“ – Jeder Datenpunkt steht für den Durchschnittswert der monatlichen Vorschlagsquoten von (in jedem Jahr im Wesentlichen denselben) ca. 25 Unternehmen bzw. Standorten. Dabei zählt jedes Unternehmen gleich viel, unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter. Das kleinste Unternehmen hat knapp 50, das größte rund 3.500 Mitarbeiter. Die fett hervorgehobenen blauen Punkte und Linie zeigen den Mittelwert der Jahre 2017-2019.

Ob sich diese Erholung im Jahr 2021 weiter fortsetzt und wann die Vorschlagszahlen wieder auf das Niveau von 2019 und vorher zurückkehren, ist eine offene Frage für die nächsten Kennzahlenvergleiche. Für das Gesamtjahr 2020 jedenfalls verzeichnen die meisten Unternehmen deutliche Rückgänge sowohl der Beteiligungs- als auch der Vorschlags- und Umsetzungsquoten. So verringerten sich der Medianwert der Beteiligungsquote gegenüber 2019 um ca. 30 Prozent, die Medianwerte der Vorschlags- und der Umsetzungsquote sogar um jeweils ca. 40 Prozent.

Demgegenüber sank der Medianwert der Einsparungsquote „nur“ um ca. 20 Prozent. Ob dies mit dem Rückgang der Vorschlagszahlen zusammenhängt (und nur deshalb weniger heftig ist, weil im Jahr 2020 viele Vorschläge umgesetzt wurden, die noch aus dem „Vorrat“ des Jahres 2019 stammen) – oder ob der gleichzeitige Rückgang eher zufällig ist (siehe den Blogbeitrag vom 14.01.2021), lässt sich anhand des Kennzahlenvergleichs nicht beantworten. Man darf aber vermuten, dass viele Unternehmen besonderes Augenmerk auf einsparwirksame Vorschläge gelegt haben. Der Medianwert für die errechnete Einsparung pro umgesetzten Vorschlag stieg um ca. 10 Prozent. Es wird spannend, in den nächsten Jahren zu verfolgen, wie sich die Einsparungsquote im Vergleich zu den Vorschlags- und Umsetzungsquoten entwickelt.

Ebenso interessant wie Veränderungen sind gleichbleibende Werte. So hat sich der Medianwert des Abarbeitungsanteils mit 63 Prozent im Jahr 2020 gegenüber 65 Prozent im Jahr 2019 so gut wie gar nicht geändert. Offenbar blieben die Bearbeitungsprozesse in den meisten Unternehmen so weit stabil, dass die – zumal ja stark reduzierten! – Vorschlagsmengen bewältigt werden konnten.

Eine wichtige Größe ist, last but not least, die Anzahl der am Kennzahlenvergleich teilnehmenden Unternehmen. Der Anstieg auf fast 200 ist umso erfreulicher als dadurch die bereits seit 2018 größte Datenbasis für ein jährliches Benchmarking weiter ausgebaut wurde. Damit stehen allen Akteuren im Ideenmanagement wieder belastbare und aktuelle Orientierungsmarken zur Verfügung, die seit 2012 gefehlt hatten. Beteiligt haben sich wie in den Jahren zuvor Unternehmen unterschiedlichster Größen (siehe Abbildung 2) und Branchen (siehe Abbildung 3). Bemerkenswert ist insbesondere der große Anteil von Unternehmen unter 1.000 Mitarbeitern. 

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Abbildung 2: Größenverteilung der teilnehmenden Unternehmen

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Abbildung 3: Branchen der teilnehmenden Unternehmen

Möglicherweise hat ein angesichts der tiefgreifenden Veränderungen des Jahres 2020 gestiegenes Bedürfnis nach Orientierung zur hohen Beteiligung am Kennzahlenvergleich Ideenmanagement beigetragen. Schließlich ist es ja auch eine wohltuende Solidaritätserfahrung, wenn man sieht, dass es anderen ähnlich erging wie einem selbst. Insofern finde ich es sehr positiv, dass sich kaum ein Unternehmen von der Teilnahme hat abhalten lassen, weil seine Kennzahlen (vermeintlich) „schlechter“ geworden seien…

Kennzahlen als „Messwerte“ einer „Black Box“

Stellen wir uns einmal vor, das Ideenmanagement wäre eine „Black Box“, bei der wir nicht recht wissen, wie sie im Inneren funktioniert. Wir haben nur einige Messgeräte, die uns über das Geschehen (z.B. Vorschlagsaktivitäten) informieren und die von der Box erzeugten Ergebnisse anzeigen (z.B. umgesetzte Vorschläge und Einsparungen). Anhand der angezeigten Messwerte wollen wir verstehen, was wir tun können, damit unser Ideenmanagement „erfolgreich“ wird.

  • Das setzt natürlich voraus, dass wir definiert haben, welches Ergebnis als „Erfolg“ gelten soll – was also unser Ziel ist. Entsprechende Optionen habe ich im Blogbeitrag „Wozu Ideenmanagement? – Erfolgskriterien“ vom 02.01.2020 beschrieben.

Neben den Messgeräten steht uns das Wissen zur Verfügung, dass das Ideenmanagement von seinen Rahmenbedingungen und durch spezielle Maßnahmen beeinflusst werden könnte.

  • Ein Teil der Rahmenbedingungen kann nur passiv hingenommen werden (keinesfalls würde man sie für das Ideenmanagement ändern): etwa die Größe, Branche und geographische Lage des Unternehmens, die generelle Aufbau- und Ablauforganisation, sowie die Wertschöpfungstiefe und Personal- oder Kapitalintensität der Leistungserbringung. Auch übergeordnete Einflussfaktoren wie z.B. die Corona-Krise zählen dazu.
  • Andere Rahmenbedingungen lassen sich dagegen sehr wohl aktiv gestalten: etwa die Regelungen zur Organisation des Ideenmanagements oder seine Ressourcenausstattung und organisationale Einbindung in das Unternehmen. Zudem lassen sich gezielte und befristete Maßnahmen durchführen, um auf das Ideenmanagement in erfolgsfördernder Weise einzuwirken (z.B. Sonderaktionen). Änderbare Rahmenbedingungen und durchführbare Maßnahmen, die starken Einfluss auf den „Erfolg“ eines Ideenmanagements haben, nennt man auch „Erfolgsfaktoren“. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren beschreiben wir in der mit dem Blogbeitrag „3x3 Erfolgsfaktoren des Ideenmanagements – ein Überblick“ am 16.09.2020 beginnenden Serie anhand von zahlreichen Praxisbeispielen.

Abbildung 4 zeigt die (hier silber-grau angemalte) „Black Box“ unter dem Einfluss der Rahmenbedingungen und der durchgeführten Maßnahmen.

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Abbildung 4: Ideenmanagement als „Black Box“ mit „Messgeräten“ für die Beteiligungsquote [% MA], die Vorschlagsquote [VV/MA], den Umsetzungsanteil [% uVV], die Umsetzungsquote [uVV/MA], den Abarbeitungsanteil [% aVV] und die Einsparungsquote [€/MA] 

Erkenntnis durch Vergleichen

Der Kennzahlenvergleich Ideenmanagement macht nun nichts anderes, als die Anzeigenwerte von 196 „Black Boxes“ zu vergleichen – im Wissen, das jede dieser Boxes anderen Einflüssen / Rahmenbedingungen / Maßnahmen ausgesetzt ist (die fürs Erste außen vor gelassen werden).

Eine Analyse der Anzeigenwerte lässt dann Strukturen erkennen, die allen Black Boxes (= allen Ideenmanagements = allen Unternehmen) gemeinsam ist.

  • Nur nebenbei: Solche Erkenntnisse lassen sich bei der Betrachtung eines einzelnen oder nur weniger Unternehmen (und seien sie noch so groß) nicht gewinnen, da dort die Auswirkungen unterschiedlicher Einflüsse nur im Wandel der Zeit beobachtet werden können – man müsste also die Entwicklung ein- und desselben Unternehmens über einen Zeitraum von 196 Jahren verfolgen, um den gleichen Erkenntnisgewinn wie mit dem Kennzahlenvergleich Ideenmanagement zu erhalten…!

Abbildung 5 zeigt als Beispiel die Korrelation zwischen Beteiligungs- und Vorschlagsquote.

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Abbildung 5: Vorschlagsquote versus Beteiligungsquote: Links als Streudiagramm mit Hervorhebung des „eigenen Unternehmens“ (fiktive Daten), rechts als Boxplotdiagramme für vier nach Beteiligungsquoten eingeteilte Klassen von Unternehmen (Daten aus 2019).

  • Hinweis: Das Diagramm auf der linken Seite von Abbildung 5 demonstriert zudem den einzigartigen Vorteil des Kennzahlenvergleichs Ideenmanagement, die Position des jeweils eigenen Unternehmens im Vergleich zu allen anderen Teilnehmern auf einen Blick sichtbar zu machen. Dazu erhält jeder Teilnehmer einen individuellen Ergebnisbericht, in dem auf die gleiche Weise seine Positionen u.a. bzgl. des Umsetzungsanteils, der Umsetzungsquote, der Einsparungsquote und der Einsparung pro umgesetztem Vorschlag visualisiert werden.
Eine Erkenntnis aus den in Abbildung 5 gezeigten Ergebnissen ist, dass die „Anzeigenwerte“ so, wie sie in Abbildung 4 angedeutet sind, nicht stimmen können. Mindestens ein „Messgerät“ zeigt hier einen falschen Wert an!
  • Gemäß diesen Ergebnissen ist es nämlich nicht möglich, einerseits sehr hohe Beteiligungs- und Umsetzungsquoten zu haben, andererseits aber nur eine sehr geringe Vorschlagsquote. „Intakte Messgeräte“ verhalten sich so, als wären diese drei Größen gekoppelt – und zwar gleichsinnig: Jeder Messwert vergrößert oder verringert sich parallel mit den anderen beiden. Es besteht hier eine signifikante positive Korrelation.
  • In Abbildung 4 ist also entweder das eine „Messgerät“ für die Vorschlagsquote [VV/MA] „kaputt“ oder die beiden „Messgeräte“ für die Beteiligungsquote [% MA] und für die Umsetzungsquote [uVV/MA].

Machen wir uns klar, was das bedeutet:

  • Man könnte ja überlegen, eine geringe Anzahl von Einreichern so zu fördern und stimulieren, dass sie insgesamt eine ebenso große Vorschlagsmenge erzeugen, wie in anderen Unternehmen von einer breiteren Einreicherbasis kommen. Offenbar ist das aber nicht möglich und/oder wird von Unternehmen auch gar nicht erst versucht. Fakt ist:
    - Die Vorschlagsquote ist immer dann und nur dann groß, wenn die
      Beteiligungsquote groß ist.
    - Die Umsetzungsquote ist immer dann und nur dann groß, wenn die
      Vorschlagsquote groß ist.
    - „Wer im Interesse der Kultur eine hohe Beteiligung fördert, muss sich dafür wappnen, eine hohe Anzahl von Vorschlägen abarbeiten zu können. Vielfältige Anregungen, wie man diese Herausforderungen bewältigen kann, finden sich in den Kapiteln 4.2 bis 4.5 in der »Toolbox Ideenmanagement«“ 


Oh – jetzt habe ich doch noch einen Satz aus dem Blogbeitrag über die Ergebnisse des Kennzahlenvergleichs 2019 wortgleich wiederholt. Tatsächlich könnte ich das problemlos für viele weitere Aussagen von vor einem Jahr tun.

Das Interessante ist nämlich, dass sich an den Korrelationen zwischen den Kennzahlen der Jahre 2018, 2019 und 2020 kaum etwas geändert hat – obwohl doch die Rahmenbedingungen insgesamt einem extremen Wandel (z.B. durch Corona!) unterworfen waren und sich die absoluten Werte mancher Kennzahlen stark geändert haben (siehe oben: Verringerung wesentlicher Medianwerte um 40 Prozent!).

Dass dem so ist, eröffnet neue Möglichkeiten für ein vertieftes Verständnis der Abhängigkeiten und Wirkmechanismen im Ideenmanagement.

Korrelationen, Zusammenhänge und Einflussfaktoren

Bereits vor vielen Jahren wurde versucht, in einem einfachen Schema sichtbar zu machen, welche Wirkmechanismen das Ideenmanagement beeinflussen und wie die zentralen Kenngrößen voneinander abhängen (siehe Abbildung 6). Das diesem Schema zugrundeliegende Modell habe ich im o.g. Blogbeitrag „Kennzahlen im Ideenmanagement – Erfolge messen und steuern“ vom 15.01.2020 ausführlich beschrieben.

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Abbildung 6: Abhängigkeiten und Wirkmechanismen im Ideenmanagement (vereinfachte Darstellung; vgl. Läge, Karola (2003). Steuerungssysteme, Controlling und Kennzahlen. In: Deutsches Institut für Betriebswirtschaft GmbH (Hg.). Erfolgsfaktor Ideenmanagement – Kreativität im Vorschlagswesen. Berlin: Erich Schmidt Verlag)

Bei den grau unterlegten Größen handelt es sich um (ausgewählte) Rahmenbedingungen und Maßnahmen, während die farbig unterlegten Größen den „Anzeigewerten“ der „Messgeräte“ in Abbildung 4 entsprechen.

Dank der im Kennzahlenvergleich Ideenmanagement ermittelten Korrelationskoeffizienten können wir nun die Pfeile in Abbildung 6, die dort lediglich logische Beziehungen markieren, um Aussagen über das Vorhandensein und die Stärke von Korrelationen ergänzen. Das ist in Abbildung 7 gezeigt. Dadurch werden gleichzeitig die Fragezeichen an den Pfeilen zwischen den „Messgeräten“ in Abbildung 4 beantwortet.
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Abbildung 7: Korrelationen zwischen Kennzahlen des Ideenmanagements. Die Farbintensität und die Stärke der Umrandungen der flächigen Pfeile geben die Stärke der jeweiligen Korrelation wieder (gemessen am Mittelwert der Korrelationskoeffizienten 2018-2020); die Farbe zeigt, ob die Größen positiv (grün) oder negativ (rot) korrelieren. In den Auswertungen für die Teilnehmer am Kennzahlenvergleich Ideenmanagement sind in diesem Diagramm auch die konkreten Zahlenwerte angegeben (hier nur der Platzhalter „x“). Die Anregung zu dieser Darstellung verdanke ich Dr. Ulrich Stephany (BMW Group).

In Abweichung von Abbildung 6 wurden hier folgende Größen genutzt, um den Bezug zu den „Messgeräten“ aus Abbildung 4 und damit zum Kennzahlenvergleich Ideenmanagement augenfälliger zu machen:

  • „Abarbeitungsanteil“ – als Maß für Bearbeitungs- und Umsetzungszeiten
  • „Umsetzungsanteil“ (anstelle der Anzahl der positiv entschiedenen Vorschläge) – auch als Maß für die Qualität der Vorschläge
  • „Einsparung pro abgeschlossene Vorschläge“ und „Einsparung pro umgesetzte Vorschläge“ – beide ebenfalls als Maß für die Qualität der Vorschläge

Mit Hilfe der Informationen aus Abbildung 7 könnten wir nun beginnen, Vorgehensweisen zu planen, um durch gezielte Einflussnahmen als Endeffekt beispielsweise eine möglichst große Einsparung zu bewirken. Doch zuvor ist eine Warnung zu beherzigen (ebenfalls als Wiederholung aus dem Bericht von vor einem Jahr): „Eine Korrelation sagt noch nichts über das Vorliegen eines Ursache-Wirkung-Zusammenhangs aus“!

  • Das gilt natürlich auch für die bereits oben geschilderten Korrelationen zwischen Vorschlags-, Beteiligungs- und Umsetzungsquoten. Dass wir eine hohe Beteiligung als Ursache einer großen Vorschlagsmenge verstehen und eine große Anzahl umgesetzter Vorschläge pro Mitarbeiter als Folge einer hohen Vorschlagsquote – das lässt sich aus den Korrelationen allein nicht ableiten, sondern basiert auf unseren Praxiserfahrungen und dem daraus gewonnenen Verständnis der Zusammenhänge (die für diese Größen besonders naheliegend und einleuchtend sind).

Im Hinblick auf weitere Größen ist es dagegen weit weniger eindeutig, was Ursache und was Wirkung ist und ob überhaupt kausale Zusammenhänge bestehen – etwa, wenn es um mögliche Beziehungen der Einsparungsquote oder des Umsetzungsanteils zu anderen „Messwerten“ geht. Diese Thematik vertiefe ich noch an anderer Stelle.


Merken Sie sich bereits jetzt Ihre Teilnahme am „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement“ 2021 vor! Das Datenblatt steht ab November 2021 auf meiner Webseite zum Download bereit, die Datenerfassung läuft im ersten Quartal 2022.

 

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