Den vorangehenden Blogbeitrag hatte ich damit abgeschlossen, dass eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung auch förderlich für die Gesundheit ist. Nun liegt es mir fern, Ideenmanagement als ein Instrument „verkaufen“ zu wollen, mit dem sich der Krankenstand senken lässt. Gleichwohl gibt es auf mehreren Ebenen Zusammenhänge, auf die ich hier etwas weiter eingehe.

Gesundes Ideenmanagement


Ein gesundes Unternehmen braucht gesunde Mitarbeiter. Und ein guter Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter braucht ein gesundes Unternehmen. Merkmale eines gesunden Unternehmens sind einerseits Stabilität und Durchhaltevermögen, andererseits Flexibilität und die Fähigkeit zu kreativer Anpassung. Im Folgenden stelle ich drei Ebenen vor, auf denen das Ideenmanagement die Gesundheit der Mitarbeiter und des Unternehmens aktiv
und direkt fördern kann. Am Ende weise ich auf eine vierte Ebene hin, auf der das Ideenmanagement eher als Indikator und indirekt wirkt.

Vorschläge zum Thema Gesundheit 

Auf der offensichtlichsten Ebene unterstützt das Ideenmanagement ein betriebliches Gesundheitsmanagement alleine dadurch, dass es einen Kanal bietet, über den Mitarbeiter ihre Ideen zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes einbringen können. Tatsächlich betrifft ein nicht unerheblicher Teil aller Vorschläge Themen, die gesundheitsrelevant sind.


Auf dieser Ebene sind auch Kampagnen, Wettbewerbe und andere Sonderaktionen zu sehen, die das Ideenmanagement in Kooperation mit dem Gesundheitsmanagement durchführt (siehe auch den Blogbeitrag vom 09.04.2020). Das Ideenmanagement übernimmt dabei die Funktion eines Dienstleisters, der die Methoden und Werkzeuge (z.B. Kampagnen) bereitstellt, mit der Ideen für die vom Kooperationspartner spezifizierten Themen (hier: Gesundheitsthemen) stimuliert und gemanagt werden. Wie wichtig solche Kooperationen als Erfolgsfaktor für das Ideenmanagement sind und wie sie konkret aussehen können, wird in einem späteren Blogbeitrag noch vertieft und an Beispielen aus der Praxis veranschaulicht.

Ideenmanagement als „mentales Fitnesstraining“

Solange Bäume gesund sind, treiben sie jedes Jahr wieder neue Blätter, egal wie alt sie sind – und solange Menschen (im umfassenden Sinne) gesund sind, entwickeln sie neue Gedanken und Ideen, ebenfalls altersunabhängig. Genau dazu leistet Ideenmanagement seinen Beitrag, indem es Mitarbeiter dazu anhält, wach und achtsam zu bleiben, sich bei Auffälligkeiten etwas einfallen zu lassen, und Vorschläge aktiv einzubringen: Auf dieser zweiten Ebene sehe ich das Ideenmanagement als Dauerprogramm gegen die mentale Verkrustung alternder Belegschaften!

Diese Funktion hat ein gut funktionierendes Ideenmanagements bereits durch sein bloßes Vorhandensein, weil es Mitarbeiter permanent zum (Mit-)Denken einlädt. Sie wird nochmals verstärkt, wenn das Ideenmanagement gezielt Inspirationen vermittelt und Anreize zum kreativen Denken gibt. Eine Ideensammlung für nichtmonetäre Incentives, die Inspiration und Anreize für Einreicher bieten, folgt in einem der nächsten Blogbeiträge.

Übrigens beziehe ich den Beitrag des Ideenmanagements zur geistigen Beweglichkeit nicht nur auf die einzelnen Personen, sondern auch auf das Unternehmen und seine Kultur insgesamt. In den meisten Unternehmen etablieren sich „Erzählungen“ darüber, was das Unternehmen ausmacht und wie es seine Erfolge erzielt. Wenn solche Erzählungen zu Dogmen erstarren, die nicht mehr hinterfragt werden (dürfen / können), verliert das Unternehmen an Flexibilität und an Anpassungsfähigkeit an neue Gegebenheiten – wodurch das Risiko steigt, dass ein zuvor „gesundes“ Unternehmen zum Sanierungsfall wird. Indem das Ideenmanagement Veränderung tagtäglich „übt“ – und das unter Einbeziehung der Mitarbeiter – stärkt es die Veränderungskultur von Unternehmen und erleichtert erforderliche Change-Prozesse generell.

Ideenmanagement stärkt Schutzfaktoren

Auf der dritten Ebene komme ich nun zur eingangs erwähnten Selbstwirksamkeitserwartung und deren Einfluss auf die Gesundheit. Wie ein Ideenmanagement dazu beitragen kann, die Selbstwirksamkeitserwartung von Mitarbeitern, Teams und Abteilungen zu stärken, hatte ich im Blogbeitrag vom 22.06.2020 erläutert.

Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung entspricht dem Glauben, das eigene Leben bewältigen zu können („Gefühl der Handhabbarkeit“). Dieser Glaube wird im medizinsoziologischen Salutogenese-Modell (= Entstehung von Gesundheit) als einer von drei gesundheitsfördernden Schutzfaktoren identifiziert. Die beiden anderen Faktoren sind der Glaube, die Ereignisse und Zusammenhänge des Lebens grundsätzlich verstehen zu können („Gefühl der Verstehbarkeit“), und der Glaube daran, dass es im Leben etwas gibt, das Sinn bzw. Bedeutung hat („Gefühl der Sinnhaftigkeit bzw. Bedeutsamkeit“).

Alles zusammen bildet das sogenannte „Kohärenzgefühl“, das im Sinne einer globalen Orientierung das Gefühl des Vertrauens bezeichnet, „dass 

  • die Einwirkungen, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert und vorhersehbar sind, oder dass sie eingeordnet und erklärt werden können, sollten sie überraschend auftreten;
  • einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderungen, die diese Einwirkungen stellen, zu begegnen;
  • diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement lohnen.“


[nach: Antonovsky, Aaron (1997). Salutogenese – Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tübingen: dgvt-Verlag]

Das Salutogenese-Modell entstand aus der Beobachtung, dass ein ausgeprägtes Kohärenzgefühl die Widerstandsressourcen von Menschen stärkt, so dass insbesondere auch psychische Belastungen besser und unbeschadet (= gesünder) bewältigt werden können.

Dieses Modell lässt sich direkt auf viele konkrete Zusammenhänge im Unternehmen anwenden (nicht nur im Hinblick auf das Ideenmanagement). So können Unternehmensleitungen und Führungskräfte zu den Schutzfaktoren beitragen, indem sie dafür sorgen, dass Mitarbeiter 

  • ihre Situation (inkl. Ursachen und Hintergründe von Hemmnissen und Problemen) und Rolle im Unternehmen verstehen und in größere Zusammenhänge einordnen können;
  • das Verhalten sowie die Entscheidungen und Absichten von wichtigen Schlüsselpersonen nachvollziehen und verstehen können;
  • über Kompetenzen und Hilfsmittel zur Bewältigung der Anforderungen verfügen (inkl. Fort- und Weiterbildung, Trainings- und Übungsmöglichkeiten);
  • die Übersicht über die Gesamtmenge der zu bewältigenden Arbeiten behalten;
  • Ansprechpartner bei Ressourcenmangel haben (z.B. bei fehlenden Arbeitsmitteln, Kompetenzen und Fähigkeiten, Zeit- und Personalressourcen);
  • Attraktivität und Sinn in Zielen und Aufgaben erkennen können, so dass sie sich gern engagieren;
  • eine innere Stimmigkeit in den „von oben“ kommenden Aussagen und Handlungen erleben;
  • Fortschritt und Teilerfolge erleben („es geht voran“ statt „Tretmühle“).

Nun kommt es immer wieder zu Ereignissen, in denen man (zumindest ich) keinen „Sinn“ sehen kann. Aktuelles Beispiel ist die Corona-Krise; ein historisches Beispiel, das damals viele Menschen an der Sinnhaftigkeit des Seins überhaupt zweifeln ließ, war das Erdbeben in Lissabon 1755. Sowohl Pandemien als auch Erdbeben (und viele andere Katastrophen) sind nur destruktiv und (objektiv) sinnlos.

Das Gefühl der Sinnhaftigkeit auch in solchen Situationen entsteht aus der Fähigkeit, zu beantworten, was man in diesem Moment Sinnvolles tun kann – anderes formuliert: Welchem Tun oder Sein man einen (subjektiven) Sinn und Bedeutung geben kann. Das mag sich philosophisch und abstrakt anhören (und ist es in Bezug auf den einzelnen Menschen vielleicht auch). Aber in Unternehmen, die durch äußere Einflüsse (wie jetzt den Lockdown) in eine („sinnlose“) Notlage kamen, ebenso wie in Unternehmen, die der Bedarf an drastischer Neuerung dazu zwingt, dass „kein Stein auf dem anderen bleibt“, ist die oberste Leitung gefragt, nachvollziehbare Aussagen zu formulieren (besser: gemeinsam zu erarbeiten), welche Maßnahmen jetzt warum „sinnvoll“ sind – jedenfalls, wenn sie ihren Mitarbeitern emotionalen Halt geben und den protektiven Faktor „Gefühl der Sinnhaftigkeit“ stärken will.

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Abbildung: Ideenmanagement fördert Gesundheit auf drei Ebenen

Krankenstand, Vorschlagsaktivität und Führungsverhalten

Nicht unerwähnt will ich eine vierte, allerdings völlig anders gelagerte Ebene lassen, auf der ein Zusammenhang zwischen der Beteiligung im Ideenmanagement und der Gesundheit – oder genauer: dem Krankenstand – beobachtet werden kann.

 
Solange keine anderen dominierenden Einflüsse diesen Zusammenhang verdecken, stellt man nämlich oft fest, dass Führungskräfte beide Kennzahlen „mitnehmen“, wenn sie von einer Abteilung in eine andere wechseln (wie meist auch die Fluktuation als dritte Kennzahl). Bei der einen Führungskraft bringen sich Mitarbeiter gern ein – der anderen entziehen sie ihre Beteiligung, phasenweise auch ihre Anwesenheit und schließlich sich ganz. Wenn eine Führungskraft sich für die Ideen ihrer Mitarbeiter nicht interessiert, dennoch eingereichte Vorschläge ignoriert oder mit einem abschätzigen Feedback quittiert, so ist das im wahrsten Sinne des Wortes kränkend (= krank machend).

Insofern kann das Ideenmanagement auch einen Indikator dafür liefern, wie „gesund“ (= einem guten Arbeitsklima zuträglich) Führungsstil und -verhalten von Führungskräften sind.

Bleiben Sie gesund, ideenreich und wirksam!

 

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