Im letzten Blogbeitrag habe ich beschrieben, um welche Art von Ideen es beim „Ideenmanagement“ geht. In diesem Beitrag geht es nun um die relevanten Managementsysteme, mit denen die erforderlichen Kommunikations-, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse des Ideenmanagements organisiert werden. Als neues Modell stelle ich das „agile Crowd Modell“ vor.

Ideen, um die es im Ideenmanagement geht, werden natürlich auch in Unternehmen vorgebracht und umgesetzt, die kein ausdrückliches Ideen-„Management“ haben. „Management“ bedeutet, dass der Umgang mit diesen Ideen Gegenstand systematischer, zielgerichteter, bewusster und schriftlich geregelter Aktivität ist.

Typische Managementaufgaben bestehen etwa darin, …

… das Ideenmanagement strategisch zu verankern und konzeptionell weiterzuentwickeln;

… Erfolgskriterien und Ziele für das Ideenmanagement zu definieren und zu verfolgen;

… Abläufe und Zuständigkeiten für die Stimulierung und Erfassung, Bearbeitung Weiterentwicklung, Entscheidung und Umsetzung der Ideen zu regeln;

… Ressourcenbedarfe zu klären und entsprechende Ressourcen bereitzustellen;

… Prozess- und Ergebniskennzahlen zu pflegen;

… für Dokumentation, Reporting, Evaluation und Information zu sorgen.

Vom zentralen Gremiumsmodell zum agilen Crowd Modell

Das vorherrschende Managementsystem beim klassischen „Betrieblichen Vorschlagswesen“ war das „zentrale Gremiumsmodell“. Auch heute gibt es noch Unternehmen, die mit diesem Modell gute Ergebnisse erzielten. Seit den 1990er Jahren führten vielen Unternehmen ein „dezentrales Vorgesetztenmodell“ ein, und es entwickelten sich unterschiedliche Hybridformen und Abwandlungen (z.B. Koordinatorenmodelle), die Elemente der beiden idealtypischen Grundformen kombinieren.

Forciert durch die fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung zeichnet sich seit den 2010er Jahren die Entwicklung eines weiteren Modells ab, das ich das „agile Crowd Modell“ nenne. Während beim Schritt vom Gremiums- zum Vorgesetztenmodell die Führungskraft an die Stelle des Gremiums trat, tritt bei der Entwicklung zum agilen Crowd Modell die Crowd an die Stelle des Einreichers (sowie immer mehr auch an die Stelle von Führungskräften und Gutachtern). Aus diesem Grund ziehe ich die Bezeichnung „agiles Crowd Modell“ dem auch möglichen Begriff „Agiles Ideenmanagement“ vor.

Anders als zentrale Gremiums- und dezentrale Vorgesetztenmodelle (und deren Varianten), zu denen bereits eine Vielzahl von Veröffentlichungen erschienen ist, wurde das „agile Crowd Modell“ bislang noch nicht als eigenständiges Modell beschrieben. Das liegt auch daran, dass es meines Wissens noch in keinem Unternehmen gezielt als umfassendes System konzipiert und implementiert wurde. Vielmehr werden in einzelnen Schritten verschiedene Elemente dieses neuen Typs eingeführt, die erst in Summe (als systemische „Emergenz“) ein neues Modell ausmachen. Nicht zuletzt trägt auch der dynamische („agile“) Charakter dieses Modells dazu bei, dass es eine formale und konzeptionelle Fixierung erschwert.

Die fünf wichtigsten Merkmale des agilen Crowd Modells

Aufgrund seiner zunehmenden Bedeutung stelle ich im Folgenden die wichtigsten Merkmale und Ausprägungen des agilen Crowd Modells kurz vor (siehe Abbildung).

Blog-2_Management_2019-12-19

Abbildung: Vergleich der drei grundlegenden Modelle (anhand vereinfachter Darstellungen). Die Symbole stehen für Ideen bzw. ihre Weiterentwicklungen, für Votings und Likes, für Kommentare und Gutachten, für bereitgestellte zeitliche/personelle und finanzielle Ressourcen, und für Entscheidungen.

 
 
  1. Bei den Gremiums- und Vorgesetztenmodellen ist die Rolle des Einreichers klar definiert – daher ist auch die Definition der Kennzahl „Beteiligungsquote“ einfach. Ebenso klar ist, wann eine Idee eingereicht wurde: nämlich dann, wenn der Einreicher den Vorschlag abgegeben hat (auf Papier oder per Mausklick auf „Absenden“) – daraus ergibt sich ebenso simpel die Vorschlagsquote. Im Paradigma der Gremiums- und Vorgesetztenmodelle ist die Idee nach dem Ereignis „Einreichen“ nicht mehr veränderbar, auch durch den Einreicher selbst nicht. Ein großer Teil der die Idee betreffenden Kommunikation (nämlich Stellungnahmen und Diskussionen zwischen Gutachtern, Entscheidern und anderen Akteuren) bleibt für Dritte – und oft auch für den Einreicher – unsichtbar.
  2. In agilen Crowd Modellen wandelt sich die Rolle des Einreichers zu der des Initiators oder ersten Impulsgebers. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass die Idee (nach dem „Einreichen“!) weiter reift, indem auch andere Personen Input geben und die Idee gemeinschaftlich weiterentwickeln. Dieser Input kann in Form von Likes, Votes, ergänzenden Weiterentwicklungen, Kommentaren (z.B. zur Begutachtung, Entscheidungsvorbereitung) oder Ressourcenzuteilung (Crowdfunding) gegeben werden. Am Entstehen einer Idee können somit nicht nur der Initiator, sondern eine Vielzahl weiterer Unterstützer beteiligt sein. Die Rollen der bei der Ideenentstehung beteiligten Personen können bei jeder Idee variieren (sind „fluide“): Ein „Initiator“ der einen Idee ist „Contributor“ bei einer anderen, und „Promotor“ bei der dritten. Insofern stellt sich die Frage nach der Definition einer „Beteiligungsquote“ neu – ggf. muss nach mehreren Arten der „Beteiligung“ unterschieden werden. Oder man betrachtet nur die Beteiligung als Initiator. Oder alle Beitragenden zu einer Idee werden wie die Einreicher von Gruppenvorschlägen bei den Gremiums- und Vorgesetztenmodellen behandelt.
  3. Ein Ideenmanagement wird übrigens nicht allein dadurch „agil“, dass Ideen zunehmend in Teams entwickelt werden. Das Charakteristische an einem „agilen Ideenmanagement“ im Sinne des agilen Crowd Modells ist das teamübergreifende bzw. teamunabhängige, vernetzte Arbeiten in sozialen Medien; ist die kollaborative Ausarbeitung durch die Crowd, bei der sich die beitragenden Personen gerade nicht notwendig persönlich kennen müssen (und dies in größeren Unternehmen meist auch nicht tun).
  4. Im Selbstverständnis der Gremiums- und Vorgesetztenmodelle muss über jeden eingereichten Vorschlag entschieden werden. Dagegen ist in agilen Crowd Modellen denkbar, dass nur solche Ideen der Entscheidungsphase zugeführt werden, die durch die Crowd entsprechend qualifiziert wurden (Community Checks). Auch die Entscheidung selbst kann in agilen Crowd Modellen auf unterschiedlichste Weisen zustande kommen: je nach Thema, Entstehungsweg oder Qualifizierung durch die Crowd können Pitches, Ressourcenallokation durch Crowdfunding, sowie definierte Entscheidungsverantwortliche oder -gremien „entscheidend“ sein.
  5. Während Gremiums- und Vorgesetztenmodelle prinzipiell auch ohne den Einsatz von IT funktionieren können, erfordert das agile Crowd Modell – zumindest in größeren Unternehmen – die Verfügbarkeit von digitalen Medien und Technologien, die es Mitarbeitern ermöglichen, untereinander vernetzt zu kommunizieren, um Ideen und Vorschläge gemeinschaftlich zu erstellen, zu bearbeiten, untereinander auszutauschen und weiterzuentwickeln (sog. „Social Media“). Frühe erste Ansätze und Beispiele hierfür hatte ich 2015 vorgestellt (Neckel 2015) (((https://www.hartmut-neckel.de/images/SocialMedia_2015-01.pdf))), über aktuellere Beispiele und konkrete Entwicklungen werde ich noch in weiteren Beiträgen berichten.
  • Ein „neues“ Modell ist nicht automatisch besser als die „alten“ – jedenfalls nicht für jedes Unternehmen! Es kommt immer auf die Passung zu den Anforderungen und Möglichkeiten des jeweiligen Unternehmens an. Probieren Sie aus, was geeignet ist, Ihr Ideenmanagement „agiler“ zu machen!

 

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