Ideenmanagement ist ein „Geschäft“, das man mehr oder weniger erfolgreich betreiben kann. Grundlage für Erfolg in jedem Geschäft ist, dass man es beherrscht und versteht – und dafür ist es meist hilfreich, wenn man Vorstellungen davon hat, welcher Nutzen oder Wert für welche Zielgruppe geboten wird, wie die Wertschöpfung geschieht und woher letztendlich der Ertrag kommt, von dem das Geschäft lebt. Hier skizzieren wir zunächst einige Möglichkeiten, solche Vorstellungen zu entwickeln und zu visualisieren.

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Zur Einführung: Geschäftsmodelle „bauen“ und beschreiben

Sich mit Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen, kann für jede Branche interessant sein. Der deutschen Möbelbranche machte das in den 1970er Jahren das schwedische Einrichtungshaus IKEA deutlich, dem weltweiten Tourismus in den 2010er Jahren die Vermittlungsplattform für Ferienunterkünfte Airbnb – um nur zwei bekannte Beispiele zu nennen. Auch das Ideenmanagement sollte immer wieder das eigene „Geschäftsmodell“ hinterfragen, die logischen Zusammenhänge seiner „Geschäftstätigkeit“ analysieren und sich die wichtigsten Schlüsselfaktoren für Erfolg oder Misserfolg vor Augen führen.

Für den Aufbau eines Geschäftsmodells gibt es zwar keine allgemeingültigen oder wissenschaftlich fundierten Vorgaben. Gleichwohl hat sich mittlerweile eine „bewährte Praxis“ entwickelt, nach der ein Geschäftsmodell Aussagen macht zu …

  • … dem Wertangebot oder Nutzenversprechen (engl.: „Value Proposition“), das Kunden und Partnern gemacht wird. Parallel werden Angaben benötigt, wer diese Kunden und Partner sind.
  • … der Architektur der Wertschöpfung, die beschreibt, wie der Wert bzw. Nutzen für Kunden und Partner generiert, ihnen gegenüber kommuniziert und zugänglich gemacht wird. Das schließt Angaben zu Schlüsselaktivitäten, -ressourcen und -partnern ein, die für die Wertschöpfung benötigt werden.
  •  … den Ertragsmöglichkeiten, die sich aus der Kostenstruktur und den Einnahmequellen ergeben.

Um solche Aussagen in einer einfachen und übersichtlichen Form zu entwerfen und darzustellen, haben Alexander Osterwalder und Yves Pigneur das in Abbildung 1 gezeigte Poster mit einer Struktur aus neun Feldern entworfen: das „Business Model Canvas“ (von „Leinwand“, engl.: „Canvas“).

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Abb. 1: Aufbau eines „Business Model Canvas“ (nach Osterwalder & Pigneur)
 

Diese Struktur wurde von Gassmann et al. noch weiter vereinfacht und für einen „Business Model Navigator“ zu vier Dimensionen eines „Magischen Dreiecks“ zusammengefasst:

Wer: Kunden bzw. Zielgruppen
Was: Wert bzw. Nutzen, der dem Kunden angeboten und versprochen wird
Wie: Architektur der Wertschöpfung bzw. Leistungsherstellung
Wert: Ertragsmodell

Abgesehen vom höheren Detaillierungsgrad des „Canvas“ stimmen beide Perspektiven im Wesentlichen überein (siehe Abbildung 2).

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Abb. 2: Vergleich der Strukturen von „Business Model Canvas“ und „Business Model Navigator“ (nach Lead Innovation)
 

Nach Gassmann et al. ist für eine Geschäftsmodellinnovation erforderlich, dass mindestens zwei der vier Dimensionen „Wer“, „Was“, „Wie“ oder „Wert“ geändert werden. Dazu beschreiben sie rund 60 wiederkehrende Muster, die sie in immer wieder anderen Kombinationen als konstituierende Elemente der unterschiedlichsten Geschäftsmodelle identifiziert haben. Das Geschäftsmodell von IKEA beispielsweise kombiniert ihnen zufolge gleich neun dieser Muster.

Die Strukturen des „Canvas“ und des „Navigators“ sind zur Visualisierung von „Geschäften“ gut geeignet, bei denen es im Wesentlichen nur drei Arten von Playern gibt: das eigene Unternehmen (als „Betreiber des Geschäfts“ und Anbieter des Nutzens), die „Kunden“ und die „Partner“ (z.B. Lieferanten, Kooperationspartner). In der Regel handelt es sich um Geschäftsmodelle mit einer klassischen linearen Wertschöpfungskette.

Für Geschäftsmodelle, die dadurch funktionieren, dass Werte vor allem zwischen den unterschiedlichen Zielgruppen ausgetauscht werden, aber das eigene Unternehmen als zentrale Leistung für alle Zielgruppen nur die Möglichkeit für diesen Austausch bereitstellt, sind die Strukturen des klassischen „Business Model Canvas“ und des „Navigators“ jedoch weniger gut geeignet.

  • Solche Geschäftsmodelle nennt man auch „multi-sided Business Models“ oder – weil der Austausch zwischen den unterschiedlichen Zielgruppen meist über Plattformen erfolgt – „Platform Business Models“. Typische Beispiele reichen von Floh- und Weihnachtsmarktbetreibern über Kreditkartenanbieter und Makler bis zu Airbnb, eBay, Facebook, Google, Lieferando, Uber und YouTube.

Da sich die jeweiligen Nutzenversprechen fundamental unterscheiden können, müsste für jede Zielgruppe, deren „Mitspielen“ für das Funktionieren der Plattform erforderlich ist, ein eigenes Canvas erstellt werden – die Übersicht ginge schnell wieder verloren. Daher haben Matthias Walter und Niels Hoogendoorn zur Veranschaulichung dieser Art von Geschäftsmodellen ein „Platform Business Model Canvas“ entwickelt (siehe Abbildung 3).
 

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Abb. 3: Aufbau eines „Platform Business Model Canvas“ (nach Walter & Hoogendoorn)

Es ermöglicht die Visualisierung aus der Perspektive mehrerer verschiedener Zielgruppen (bzw. „Stakeholder“) und ist auch im Hinblick auf die Richtung von Wertströmen offener angelegt. So legt im klassischen „Business Model Canvas“ bereits die Anordnung der neun Felder nah, dass Einnahmen durch Kunden erzielt und Kosten u.a. durch Lieferanten (als Teil der „Schlüsselpartner“) verursacht werden. Im „Platform Business Model Canvas“ kann auch abgebildet werden, wenn Werte, die von einer der Zielgruppe (hier „Produzent“ genannt) her- oder bereitgestellt werden, von einer anderen Zielgruppe (hier „Nutzer“ genannt) genutzt werden, aber die Einnahmen für das eigene Unternehmen (als „Betreiber“ der Plattform) von einer nochmals anderen Zielgruppe (hier „Partner“ genannt) stammen.

Die hier beschriebenen Konzepte lassen sich nun für das Ideenmanagement nutzbar machen, indem man in den jeweiligen Strukturen durchbuchstabiert, für wen das Ideenmanagement welchen Wert anbietet und wie dieser Wert generiert wird. Daraus ergeben sich automatisch Erkenntnisse über konkrete Stärken, Verbesserungspotentiale und schwache Punkte des eigenen Ideenmanagements. Ein geklärtes Selbstverständnis hilft, die Rolle des Ideenmanagements besser zu verdeutlichen – insbesondere gegenüber Unternehmensleitungen und Führungskräften. Nicht zuletzt könnten die von Gassmann et al. aufgelisteten 60 Muster als Anregungen für Weiterentwicklungen und grundlegende Neuerungen genutzt werden.

Lesen Sie auch die nächsten Blogbeiträge, in denen wir auf das Wertangebot bzw. Nutzenversprechen des Ideenmanagements für seine Stakeholder eingehen und verschiedene Architekturen der Wertschöpfung beschreiben.

Alle Erwähnungen von Produkten und Unternehmen sind redaktioneller Natur und wurden nicht bezahlt.


Zu den Autoren: Dr. Hartmut Neckel, Dr. Oliver Reichel-Busch

Neckel

Dr. Hartmut Neckel ist einer der profiliertesten Vordenker und erfahrensten Praktiker im Themenbereich Ideenmanagement, Innovation und kontinuierliche Verbesserungsprozesse. >> Mehr
Kontakt: kontakt@hartmut-neckel.de 

Oliver-Reichel-Busch

Dr. Oliver Reichel-Busch, geb. 1973, lebt mit seiner Familie in Hamburg. Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Darmstadt und der Promotion an der TU Berlin startete er seine Karriere im Lufthansa Konzern im Führungskräftenachwuchsprogramm. Nach verschiedenen Stationen u.a. als Produktionsleiter in der Fahrwerksüberholung der Lufthansa Technik AG verantwortet er seit 2019 das Ideenmanagement der Lufthansa Group.
Kontakt: oliver.reichel-busch@lht.dlh.de 

 

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