Klare Zielstrukturen und ein systematisches Reporting, ausreichende personelle Ressourcen verbunden mit einer pragmatisch gewachsenen Organisationsform – das sind nur einige Faktoren, die zum Erfolg des Ideenmanagements bei Muhr und Bender beigetragen haben könnten. In unserem Gespräch haben wir uns darüber ausgetauscht, wie diese und andere Erfolgsfaktoren in der Praxis konkret umgesetzt werden. Hier die Zusammenfassung.

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Vorbemerkung: Eine vorangegangene Serie hatte sich den „3x3 Erfolgsfaktoren des Ideenmanagements“ gewidmet (siehe den Überblick im Blogbeitrag vom 16.09.2020). Dabei wurde jeder Erfolgsfaktor mit Praxisbeispielen aus verschiedenen Unternehmen veranschaulicht. In diesem und weiteren Blogbeiträgen wird nun jeweils die Praxis eines einzelnen Unternehmens im Hinblick auf alle Erfolgsfaktoren zusammen durchleuchtet. Die Auswahl der Unternehmen orientiert sich daran, dass sie beim „Kennzahlenvergleich Ideenmanagement“ in allen betrachteten Dimensionen – Kultur-, Nutzen- und Prozessdimension – weit über dem Durchschnitt liegende Werte erzielt haben.

Das Unternehmen

Das 1916 in Attendorn von Josef Muhr dem Älteren gegründete Unternehmen hat sich zu einem weltweit führenden Leichtbauspezialist für hochbeanspruchbare Federkomponenten und verwandte Automobilkomponenten entwickelt. Die heutige Muhr und Bender KG ist nach wie vor ein inhabergeführtes Familienunternehmen und beschäftigt 14.000 Mitarbeiter an 48 Standorten in 20 Ländern.

Das Ideenmanagement 

Der erste Kontakt zu einem Unternehmen erfolgt heute meist über die Homepage – daher nähern wir uns in diesem Beitrag auch dem Ideenmanagement auf diesem Weg. Unter dem Link „THE MUBEA WAY“ wird die Unternehmensphilosophie mit den Begriffen „light“, „efficient“, „global“, „ambitious“, „focused“ und „open minded“ umrissen.

  • Stellvertretend für „efficient“ steht hier das Ideenmanagement an erster Stelle, neben den Mubea Best Processes und der 0-Fehler-Mentalität. Alle drei Ansätze dienen erklärtermaßen der kontinuierlichen Verbesserung und zählen auf die Ideen jedes Mitarbeiters.
  • Wer dann auf „Erfahren Sie mehr“ klickt, findet unter der Überschrift „Unsere Mitarbeiter sind der Treibstoff für den Unternehmenserfolg“ Zahlen und Erläuterungen zum Ideenmanagement, einschließlich der Erfolgsgeschichte eines engagierten Mitarbeiters, der seit 1998 mehr als 200 Ideen eingereicht hat.

Diese prominente Platzierung unterstreicht den hohen Stellenwert, den die Unternehmensleitung dem Ideenmanagement beimisst und trägt so zu dessen „Promotion“ (Erfolgsfaktor 4) bei. Das Ideenmanagement wird hier übrigens sowohl als Argument für den Kundennutzen (dank der mit Ideen bewirkten Effizienzsteigerungen) als auch im Sinne des Arbeitgebermarketings verwendet, indem die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen sowie die Wertschätzung für Mitarbeiter und ihre Verbesserungsvorschläge sehr nachdrücklich hervorgehoben werden.

Weiteren Ausdruck findet die Managementunterstützung („Promotion“) für das Ideenmanagement beispielsweise darin, dass…

  • … sich die Geschäftsführer mit den Reports des Ideenmanagements auseinandersetzen und sich umgehend mit Rückfragen an Führungskräfte wenden, falls deren Kennzahlen von den Zielwerten abweichen;
  • … die Geschäftsführer im Vorwort der Mitarbeiterzeitung immer wieder ausdrücklich das Ideenmanagement erwähnen und auf seine Bedeutung für den Unternehmenserfolg hinweisen.


Letztlich sind auch alle anderen Erfolgsfaktoren Ausdruck und Folge der „Promotion“. Das gilt insbesondere für den Erfolgsfaktor 5Ziele und Reporting“.

  • Als Ziele werden eine Beteiligungsquote von 50% und eine Ideenquote von einem Verbesserungsvorschlag pro Mitarbeiter im Jahr angestrebt.
  • Damit das nicht dazu führt, dass Vorschläge „auf Masse geschunden“ werden, gibt es die ergänzenden Ziele, 70% der Vorschläge umzusetzen und eine errechnete Einsparung von 1.000 Euro pro eingereichtem Vorschlag zu erzielen.
  • Außerdem – und das ist ein ganz wichtiges Ziel – soll die Bearbeitungsdauer bis zur endgültigen Umsetzung maximal 90 Kalendertage betragen.
  • Die Leiter der verschiedenen Geschäftseinheiten und die Produktionsleiter erhalten monatlich einen Report zum aktuellen Stand dieser und weiterer Kennzahlen in der jeweiligen Geschäftseinheit (zusammen mit den Vergleichszahlen der beiden vorangegangenen Kalenderjahre). Wie das aussieht, zeigen die Abbildungen 1 und 2.
  • Ein Quartalsreport bildet das Geschehen an allen Standorten weltweit ab. Er wird dem globalen Executive Management Board sowie den Personalleitern und Ideenkoordinatoren aller Standorte zur Verfügung gestellt.
  • Besondere Beachtung findet dabei stets auch die absolute Anzahl noch offener Vorschläge – denn hinter jedem steckt ja ein noch ungenutztes Einspar- oder Verbesserungspotential.

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Abb. 1: Beispiel eines Monatsreports für eine (imaginäre) Geschäftseinheit
 

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Abb. 2: Visualisierung des Bearbeitungsstands und der offenen Vorschläge für eine (imaginäre) Geschäftseinheit
 

Bei Zielerreichung der Ideenquote erfolgt – quasi automatisch – eine besondere Form der „Anerkennung“ (Erfolgsfaktor 6): Diese Kennzahl geht nämlich als einer von vier Bewertungspunkten in die Höhe der monatlich erfassten und halbjährlich ausgezahlten Mitarbeiterbeteiligung ein. Die drei anderen Bewertungspunkte betreffen Qualität (Nacharbeit, Ausschuss, Reklamationen), Produktivität, sowie Ordnung und Sauberkeit (5S). Alle vier Punkte beeinflussen die Mitarbeiterbeteiligung in gleichem Ausmaß. Auch das verdeutlicht nochmals den hohen Stellenwert des Ideenmanagements im Unternehmen. Im übrigen profitieren darüber auch Führungskräfte von guten Ergebnissen im Ideenmanagement.

  • Weitere Formen der „Anerkennung“ sind jährliche Verlosungen (Sachprämien im Gesamtwert von rund 5.000 Euro) und Sonderprämien in Höhe von 500 Euro für Einreicher, die ihren hundertsten Vorschlag einreichen. Der oben erwähnte (und auf der Webseite vorgestellte) Mitarbeiter hat diese Prämie bereits zweimal erhalten.

Auch in der personellen und technischen „Ausstattung“ (Erfolgsfaktor 7) spiegelt sich die Intensität der Managementunterstützung („Promotion“, s.o.).

  • Die personelle Ausstattung hatten wir bereits in einem Praxisbeispiel des Blogbeitrags zu diesem Erfolgsfaktor am 23.06.2021 beschrieben und in einer Grafik visualisiert.
  • Auf der technischen Ebene ist der gesamte Ideenmanagementprozess in einer Software abgebildet. Über eine eigens dafür erstellte Ideenmanagement-App können alle Mitarbeiter von ihren privaten Endgeräten aus Ideen eingeben und an das Ideenmanagement senden.

Zum Thema „Sichtbarkeit und Marketing“ (Erfolgsfaktor 8) für das Ideenmanagement hatten wir bereits Verlosungen und Beiträge in der Mitarbeiterzeitung erwähnt. Weitere Ressourcen sind:

  • Große Monitore, die in der Produktion gut sichtbar platziert sind, und auf denen das Ideenmanagement auf eigenen Seiten Informationen einspielen kann. Da die Monitore einzeln adressierbar sind, können hier neben allgemeinen Hinweisen auf aktuelle Besonderheiten (z.B. Sonderverlosungen, Kampagnen) auch die nur für den jeweiligen Bereich relevanten Kennzahlen sichtbar gemacht werden.
  • Eine Mitarbeiter-App, auf die sowohl von PCs als auch von mobilen Geräten zugegriffen werden kann. Hier werden weltweit relevante Unternehmensinformationen bereitgestellt und jeder Standort ist mit einer eigenen Seite vertreten. Auch das Ideenmanagement kann diesen Kanal nutzen und damit eine große Reichweite innerhalb der Belegschaft erreichen. Über einen in diese App integrierten Link können Mitarbeiter Informationen zum Ideenmanagement (z.B. Definition eines Vorschlags, Erklärung zum Ablauf der Vorschlagsbearbeitung) abrufen oder auf die o.g. Ideenmanagement-App zur Eingabe einer Idee gelangen.

Diese im Intranet und per App abrufbaren Informationen und Erklärungen tragen ebenso zum Erfolgsfaktor 9Know-how“ bei wie schriftliche Unterlagen, die neue Mitarbeiter in ihrer Willkommensmappe von Kollegen aus der Personalabteilung erklärt und ausgehändigt bekommen. Vertiefungen und Auffrischungen erfolgen dann in Verbindung mit Lean-Workshops und mit den regelmäßigen Unterweisungen in Arbeitssicherheit. Deren Vorlagen und Präsentationen beinhalten Abschnitte zum Ideenmanagement, die dann von den jeweiligen Referenten vorgestellt werden.

Unter Motivationsgesichtspunkten spielt das „Wissen“, welche Vorteile das Ideenmanagement überhaupt bietet, eine nicht unerhebliche Rolle. Eine interne Handreichung stellt diese Vorteile jeweils für das Unternehmen, für die Führungskräfte und für die Mitarbeiter zusammen (siehe Abbildung 3).

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Abb. 3: Vorteile des Ideenmanagements für Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter (Auszug aus einer internen Schulungsunterlage)

Solche Einführungen und Schulungen durch andere Abteilungen sind Beispiele für den Erfolgsfaktor 2Kooperation“.
  • Ausdruck von „Kooperation“ mit anderen Managementsystemen ist auch die Möglichkeit, das Ideenmanagement im Rahmen der jährlichen Zielvereinbarungen zu berücksichtigen. Die Tantiemen der Führungskräfte hängen zu je einem Drittel vom Unternehmenserfolg, von Ergebnissen der Geschäftseinheit und vom Erreichen frei wählbarer persönlicher Ziele ab. Als persönliche Ziele können die Führungskraft und ihr Vorgesetzter auch Ergebnisse im Ideenmanagement vereinbaren.
  • Weitere Formen der „Kooperation“ betreffen die umgehende Weiterleitung von Vorschlägen an die jeweils zuständigen Personen in den Bereichen Arbeitssicherheit, Brandschutz, Gesundheit, Energie- und Umweltmanagement sowie die Durchführung von Kampagnen zu Themenstellungen aus diesen und anderen Bereichen.
  • Dem engen Zusammenspiel des Ideenmanagements mit anderen Themen entspricht, dass in den Quartalsreports ausdrücklich hervorgehoben wird, welcher Nutzen mit den Ideen von Mitarbeitern für Qualität und Arbeitssicherheit erzielt wurde. Dieser Nutzen wird grundsätzlich in Euro beziffert und zwar pauschal mit 500 Euro bei einem „geringen“ und mit 1.000 Euro bei einem „hohen“ Nutzen. Dadurch steigt übrigens für Verwaltungsbereiche die Chance, Ziele für die Kennzahl „Einsparung“ zu erreichen.

Sämtliche Regelungen und Instrumente zur „Organisation“ (Erfolgsfaktor 3) des Ideenmanagements haben sich nach und nach entwickelt und wurden immer wieder pragmatisch an neue Möglichkeiten und Anforderungen angepasst.

  • Daher können Ideen nach wie vor auch auf Papier bei der direkten Führungskraft oder beim Ideenkoordinator vor Ort eingereicht werden – oder auch am PC oder per App direkt im System. Bei einer Führungskraft abgegebene Vorschläge können von dieser sofort im Rahmen ihrer üblichen Kompetenzen entschieden und ggf. umgesetzt werden. In jedem Fall müssen sie aber an den Ideenkoordinator der jeweiligen Geschäftseinheit weitergeben werden, der sie zur Erfassung freigibt. Direkt in das System eingegebene Ideen werden von den Ideenkoordinatoren und dem zentralen Ideenmanager an die zuständigen Entscheider weitergeleitet.
  • Bei einsparwirksamen Vorschlägen ergibt sich die Prämie als fester Prozentsatz der errechneten Einsparung. Bei nicht rechenbaren Vorschlägen wird die Prämie mit der in Abbildung 4 gezeigten Matrix ermittelt.
  • Im Rahmen von gesteuerten Lean-Aktivitäten entstandene Verbesserungen werden ebenfalls in das Ideenmanagement aufgenommen und als Gruppenvorschläge prämiert (Erfolgsfaktor 1Flexibilität“).

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Abb. 4: Matrix zur Ermittlung der Prämie bei nicht rechenbaren Vorschlägen

Lesen Sie mehr zu den Erfolgsfaktoren des Ideenmanagements: 

Alle Erwähnungen von Produkten und Unternehmen sind redaktioneller Natur und wurden nicht bezahlt.

Zu den Autoren: Dieser Blogbeitrag entstand infolge eines Gesprächs zwischen Roland Müller und Dr. Hartmut Neckel.

Roland_MüllerRoland Müller arbeitet seit 1983 bei der Muhr und Bender KG in Attendorn. Als prozessverantwortlicher Ideenmanager hat er das Ideenmanagement, wie es in seiner heutigen Form existiert, seit 2003 kontinuierlich mit aufgebaut.

Kontakt: roland.mueller@mubea.com 

 

 

Neckel

Dr. Hartmut Neckel ist einer der profiliertesten Vordenker und erfahrensten Praktiker im Themenbereich Ideenmanagement, Innovation und kontinuierliche Verbesserungsprozesse. >> Mehr

Kontakt: kontakt@hartmut-neckel.de 

 

 

 

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